Hausrotschwanzmännchen - Foto: Frank Derer
Der Hausrotschwanz ist Vogel des Jahres 2025
Mehr als 140.000 Menschen haben bei der Wahl zum Vogel des Jahres mitgemacht, eine Mehrheit stimmte für den Hausrotschwanz (Phoenicurus ochruros). Der grazile Singvogel ist inzwischen häufig in Siedlungen unterwegs. Durch Haussanierungen hat er es aber immer schwerer, Nistmöglichkeiten zu finden.
Unsere Morgenstunden bereichert der Hausrotschwanz schon weit vor Sonnenaufgang. Mit seinem eigenwilligen Gesang ist er kaum zu überhören, und auf Hausdächern gut zu sehen.
Auffälliger, aber gewöhnungbedürftiger Gesang
Gäbe es in der Vogelwelt ein Pendant zu „Deutschland sucht den Superstar“, der Hausrotschwanz würde wohl nicht gewinnen. Bereits im 19. Jahrhundert fällte der Zoologe Alfred Brehm in seinem „Tierleben“ ein wenig erbauliches Urteil über den Gesang des Jahresvogels. Das ihm eigene Röcheln, das sich mit knirschenden, klappernden Tönen und flötenden Trillerlauten abwechselt, beschrieb er als „jede[n] Wohlklanges bar“. Immerhin seine Rufe, um beispielsweise Gefahr auszudrücken, klängen „angenehm, wie ‚Fid tek tek‘“.
Morgens einer der ersten Sänger
Doch egal wie eine Jury seinen Gesang bewerten würde, zweierlei könnte sie ihm nicht absprechen: Wiedererkennungswert und Ausdauer. „Hat man den Hausrotschwanz einmal gehört und erkannt, kann man ihn nicht mehr nicht hören. Als einer der ersten Sänger beginnt er rund 70 Minuten vor Sonnenaufgang und ist bis nach der Abenddämmerung zu hören. Dabei sind Anhöhen wie Dachgiebel und Hausantennen mittlerweile genauso die Bühne des Hausrotschwanzes wie Gebirgsfelsen.
Fan von Stein und Nischen
Nicht umsonst war der Hausrotschwanz früher als „Gebirgsrotschwanz“ bekannt. Ursprünglich und ausschließlich war der Vogel des Jahres in steil abfallenden Felswänden in den Gebirgen Mittel- und Südeuropas zu Hause, wo er auch heute noch in Felsspalten und Höhlen nistet. Noch immer siedeln dort sowie in Osteuropa und Asien mehr Hausrotschwänze im Gebirge als in Siedlungen. Doch seit gut 250 Jahren erweitern sie ihren Lebensraum stetig. Zunächst in Gebirgs- und Flusstäler, dann auch in dichter von Menschen besiedelte Gebiete. Vom einsam gelegenen Hof über Weinberge und Industrieanlagen bis zur Stadt. Die durchschnittlich wärmeren Temperaturen im 19. Jahrhundert könnten dem wärmeliebenden Vogel bei seinem Weg nach Mittel- und Nordeuropa geholfen haben.
Damit ist der Hausrotschwanz wie Klatschmohn, Klee, Eichelhäher oder Eichhörnchen einer von vielen sogenannten Kulturfolgern. So bezeichnet man Pflanzen- und Tierarten, die dem Menschen in von ihm nutzbar gemachte, also kultivierte, Landschaften folgen: Äcker, Forste oder Siedlungen und Gebäude, je nachdem, was sie beispielsweise an Licht- oder Bodenverhältnissen oder Zufluchtsmöglichkeiten brauchen. Als Halbhöhlenbrüter findet er in Siedlungsbereichen zudem Nistmöglichkeiten. Statt an Felswänden baut er seine Nester in Spalten und Löcher an Häuserfassaden, unter Dachvorsprüngen und Brücken, in Holzstapeln oder Schuppen.
Dem Hausrotschwanz kommt dabei zugute, dass er keine hohen Ansprüche an seine Brutgebiete stellt. Steinig, trocken und warm sollte es sein, dann kann der Hausrotschwanz seine Nester in nahezu jede Nische und jeden Hohlraum bauen.
In der Regel nistet der Gebäudebrüter bei uns unter Dächern, in Mauerlöchern oder Schuppen. Der Hausrotschwanz ist, ähnlich wie Mauersegler oder Haussperling, darauf angewiesen, dass wir bei Neubauten und Sanierungen nicht alles zumauern. Wände und Dächer brauchen genügend Öffnungen oder Nisthilfen, dann ist davon auszugehen, dass sich der Halbhöhlenbrüter weiter bei uns ansiedelt.
Quirliger Insektenjäger
Insgesamt geht es dem neuen Vogel des Jahres in Deutschland gut. Er ist aktuell nicht gefährdet, gehört vielmehr zu den häufigen Brutvögeln, man geht von 800.000 bis zu einer Million Paaren aus. Dennoch oder gerade deshalb hat Deutschland eine besondere Verantwortung, dass das auch so bleibt.
Neben Nistmöglichkeiten an Häusern können wir ihm vor allem mit naturnahen Gärten helfen, in denen er Insekten finden kann – seine Hauptnahrungsquelle. Von den sogenannten Warten, die sie auch zum Singen nutzen, stürzen sich Hausrotschwänze blitzschnell auf ihre Beute. Als geschickte Flieger fangen sie teilweise kleine Schmetterlinge oder Fliegen direkt in der Luft.
Meist aber stürmen sie Richtung Boden und erwischen dort kleine bis mittelgroße Insekten und Spinnen. Einmal auf der Erde hüpfen und picken sie munter herum, richten sich immer wieder schnell auf, um Gefahren (darunter beispielsweise Katzen) frühzeitig zu entdecken.
Auffälliger Mitbewohner
Ähnlich wie, aber noch häufiger als Rotkehlchen knicksen sie mit ihren Beinen. Ebenso charakteristisch ist der zitternde und vibrierende rostrote Schwanz. Auf menschliche Augen machen sie daher schnell einen nervösen, hektischen Eindruck, doch warum sie knicksen und zittern ist noch nicht erforscht. Mit Nervosität oder Bedrohung muss es aber nicht zwingend zu tun haben.
Bei nahezu jeder Vogelführung in der Stadt wird man ihn finden. Mit seiner agilen und lauten Art ist er aber auch in Gärten kaum zu übersehen und überhören. Die besten Chancen hat man zur Balzzeit im März und April, wenn die Hausrotschwanzmännchen laut singend den Weibchen imponieren – und mit wilden Flugattacken ihre Rivalen durch Garten und Co. verfolgen, um ihr Revier abzustecken. Gesellige Typen sind Hausrotschwänze ohnehin nicht. Im Spätherbst machen sich die Mittelstreckenzieher allein auf und halten sogar an Sammelstellen wie Gewässern, Feldern oder Klippen einen angemessenen Abstand zueinander. Wenn sie überhaupt noch in Richtung europäischer Mittelmeerraum, Nordafrika oder Naher Osten ziehen. Immer mehr Vögel überwintern aufgrund der wärmeren Temperaturen mittlerweile bei uns, sodass man das ganze Jahr über gute Chancen hat, sie zu beobachten.
Copyright:
Text übernommen aus Homepage des NABU:
Dort bibliographiert mit
„Text überwiegend aus Naturschutz heute 4/24, Autorin: Lisa Gebhard“